Virtuelles Europäisches Kulturzentrum
- Europäische Studie zur Alltagskultur -
Telekommunikation
Deutschlandtreffen und ein Telefonat aus Berlin
Deutschlandtreffen und ein Telefonat aus Berlin
Im Jahr 1964 war ein Festnetztelefon eher die Ausnahme und Handys gab es keine.
üblich war ein Telefonapparat W38. Der Telefonapparat war schön schwer und mit
Wählscheibe. Mit den Impulsen der Wählscheibe wurden die Wähler in der
Vermittlungsstelle fast direkt gesteuert. Für die private Kommunikation stand
kaum ein Telefon zu Hause bereit. Die meisten Telefongespräche auch für private
Zwecke wurden also über das Telefon im Betrieb geführt. Allerdings auch nur,
wenn man die Möglichkeit zum Telefonieren hatte, da nicht an jedem Arbeitsplatz
ein Telefon zur Verfügung stand. Das betriebliche Telefon konnte aber auch für
die öffentliche Kommunikation, also die
Amtsverbindung gesperrt sein. Ja ,da ruf ich doch gleich mal zu Hause an.
Ich will nur mitteilen, dass ich doch etwas später komme als angekündigt. So oder ähnlich
habe ich jetzt schnell das Handy zur Hand und die Mitteilung ist erledigt und
das Problem gelöst.
1964 war es nicht so einfach mal schnell anzurufen. Es galt alles vorher gut
abzusprechen oder mit Postkarte oder Brief zu hantieren. Diese Kommunikation
brauchte aber Zeit, war nichts für dringliche Angelegenheiten.
In meiner Lehrzeit zum Fernmeldemonteur habe ich gelernt wie
Grosswählnebenstellenanlagen, Sicherheitsanlagen, Feuermeldeanlagen usw. gebaut
werden. Ich war dazu in einer Gruppe von 6 Lehrlingen, die von Baustelle zu
Baustelle in den Betrieben, Museen oder Krankenhäusern meist die Kabel für die
Anlagen verlegten. Wir trafen uns oft nur zu Lehrunterweisungen. Auf einer der
Lehrunterweisungen kam Johannes oder Eberhard mit dem Gedanken, etwas gemeinsam
zu unternehmen und so nach Berlin zu fahren. Dazu gab es das Angebot, die beste
Lehrlingsgruppe kann nach Berlin zum Deutschlandtreffen im Mai 1964 fahren. Wir
haben uns also angestrengt und konnten das Rennen gewinnen. Wir fuhren als
Lehrlingsgruppe nach Berlin, genauer Ost-Berlin. 1964 bestand die Mauer schon.
Auf dem Deutschlandtreffen gab es viele Veranstaltungen, Musik und viele
Jugendliche. Es war schon toll, so in der Gruppe in Grünau mit dem Motorboot zu
fahren. Das gab es in Dresden nicht.
Nicht so toll war die Fahrt nach Berlin in Güterwagen ohne Sitze und ohne
Fenster aber mit einer großen Gepäcktür und im Wageninneren teilweise mit
Zwischenboden. Also hart auf dem Boden sitzen und ständig etwas Zugluft. Die
Türen waren ja nicht geschlossen und die Holzverkleidung der Wagen war auch
nicht so dicht. Wohl auch wegen fehlender Toiletten musste der Zug oft halten.
Jedenfalls erschien Berlin sehr weit von Dresden weg zu sein.
Die Unterbringung in Berlin in einer Schule in Köpenick mit 30 Leuten auf Stroh
in einem Klassenzimmer war zwar rustikal aber für diese Zeit nicht ungewöhnlich.
Außerdem dauerten die Veranstaltungen oft so lange, dass an Schlafen kaum zu
denken war.
Nun war ich wohl die ganze Anstrengung nicht gewohnt oder ich hatte mir
irgendwie was eingehandelt. Jedenfalls wurde mir nach kurzer Zeit immer
unwohler. Auf den Gedanken anzurufen, um Rat zu holen, kam ich nicht. Wo sollte
ich anrufen? Zu Hause gab es kein Telefon. Es kam wie es kommen musste, das
Problem löste sich nicht von selbst. Schon nach kurzer Zeit war mir so
schlecht, dass ich mich in der Unterkunft aufs Stroh legen musste. Von dort
wurde ich vom medizinischen Dienst eingesammelt und einer ärztin vorgestellt.
Danach konnte ich gar nicht so schnell denken wie ich mit Blaulicht ins
Krankenhaus transportiert wurde. Ich konnte gerade noch Steffen aus unserer
Gruppe bitten, meinen Eltern Bescheid zu geben, denn nun würde das
Berlinabenteuer etwas länger dauern. Ja, ein Handy oder Telefon waren nicht
verfügbar und wo sollte ich anrufen?
Als meine Eltern von meinem Weg ins Krankenhaus erfuhren, machten sie sich
natürlich Sorgen hatten aber keine Ahnung, wo ich sein könnte und worum es
ging. Mein Vater hatte im Betrieb ein Telefon und suchte mich in Berlins
Krankenhäusern. Nach 3 oder 4 Tage hat mich mein Vater telefonisch sprechen
können. Natürlich war da schon fast alles überstanden, mir ging es besser und
ich konnte mitteilen, dass ich bald nach Hause kommen würde.
Ich konnte nicht sagen mit welchem Zug und vor allem zu welcher Zeit ich kommen
würde. Jedenfalls war ich bald wieder gesund und munter zu Hause und konnte
alles erzählen, so dass alle wieder froh und zufrieden waren. Aber mit Handy
oder Telefon läuft heutzutage so etwas ganz anders. Da ruf ich doch gleich mal
an!