Dresden
Virtuelles Europäisches Kulturzentrum
- Europäische Studie zur Alltagskultur -
Wohnbiographien / Genossenschaftliches Wohnen
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Ein Freudentag
Ein Freudentag
Diese Geschichte weckt in mir eine ganz besondere Erinnerung. Bezogen wir doch mit unseren Eltern die erste gemeinsame eigene Wohnung.
Sonnenstrahlen weckten uns zwei Kinder an diesem Spätherbsttag. Unsere Oma musste uns ermahnen, das Frühstück in Ruhe einzunehmen. Diesmal trödelten wir beim Anziehen nicht, denn die Vorfreude war riesig. Endlich liefen wir, an der Hand von Oma und Opa zur Haltestelle der Straßenbahn. Die Straßenbahn ruckelte und quietschte durch die Straßen. Sie fuhr sehr langsam durch die zerstörte Stadt. Staunend blickten wir auf die vorüber ziehenden Gebäude, die Brücke und auf die Elbe, denn diese Orte waren uns noch unbekannt. Am Stübelplatz, heute Straßburger Platz, mussten wir in eine andere Bahn umsteigen.
Wir fragten unseren Opa: Was das für ein Park sei?" Er erklärte uns, dass das der Große Garten ist. Weiter betrachteten wir die Baum-Allee, die rechts und links die Straßenbahngleise einfassten. Angekommen an der Zwinglistraße sahen wir wieder Ruinen. Obwohl die Sonne schien, wehte uns aus den Kellerräumen der kaputten Häuser ein kalter Hauch entgegen. So schnell uns unsere Beine tragen konnten, liefen wir unserem neuen Zuhause entgegen. Plötzlich hörten wir ein Pfeifen. Eine Lok der Trümmerbahn zog mit Schutt beladene Loren an uns vorbei. Wir überquerten die Gleise, die unseren Weg kreuzten. Endlich standen wir vor „unserem" Haus. Wir stürmten die Treppe in den zweiten Stock hinauf. Mutti hatte uns bereits gehört und die Korridortür geöffnet. Ohne sie zu begrüßen, entdeckte meine kleine Schwester Renate gleich das Bad. Ich betrachtete jedes einzelne Zimmer genau. Die Erwachsenen verfolgten dabei unsere Besichtigung der Wohnung. Unsere Eltern hatten diese Wohnung mit viel Liebe, doch einfach, eingerichtet. In der Zwischenzeit hatte unsere Oma das Mittagessen gewärmt und rief uns in die Küche zu Tisch. Diese Küche war für mich etwas Besonderes, da sie größer und auch heller war. Es gab einen kombinierten Gas- Kohle-Herd. Vom Küchenfenster sah man auf einen großen und schönen Hof. Obstbäume, Weiden, Sträucher, Wiesen und zwei Sandkästen zierten diesen. Er lud zum Spielen ein. Aus meinen Gedanken gerissen, sagte dabei Mutti sehr eindringlich: „Die Fenster werden nicht allein geöffnet und der Balkon wird nur mit einem von uns Erwachsenen betreten." Die vielen neuen Eindrücke ließen uns schläfrig werden und ohne Murren begaben wir zwei uns in den neuen eigenen Wohnbereich.

Hintergründe:
3. November 1949 Umzug von Neustadt nach Gruna.
Wir waren damals 3 1/4 und 4 1/4 Jahr.
Eine Tafel an einem Haus Falkensteinplatz/Zwinglistraße erinnert an die Zerstörung und den Wiederaufbau. Vater erhielt für seine Leistung als Neulehrer eine Drei-Raumwohnung mit Heizung, Kalt- und Warmwasser sowie Balkon.