Dresden
Virtuelles Europäisches Kulturzentrum
- Europäische Studie zur Alltagskultur -
Wohnbiographien / Genossenschaftliches Wohnen
VECU-Logo
EU-Flagge
Die Sache mit dem Plumpsklo
Blicke in die Vergangenheit - Die Sache mit dem Plumpsklo

Vor sieben Jahrzehnten machte mich auf einem Bahnhof ein kleiner Vers mit der modernen Toilettenkultur vertraut. Ich las: "Wenn von Erfolg war dein Bemüh'n, dann mußt du an der Kette zieh'n . . .". An diesem Ort gab es also schon die zu dieser Zeit moderne Toilette mit Wasserspülung, die ich bis dahin noch nicht kannte. Aber auch meine Verwandten in Leipzig und Dresden hatten damals noch in ihren Wohnhäusern so genannte Trockenklosetts.

Probleme mit dem Wasser und dem "Abwasser"

Jeder Mensch weiß, dass für den Einbau einer Wasserspülung eine reichliche Menge fließendes Wasser gebraucht wird, das im Haus und speziell in dem "stille örtchen" verfügbar sein muss. Schließlich musste auch das verwässerte "Ausgangsprodukt" der Toilette zu entsorgen sein.
In den größeren Städten lief bereits vor hundert Jahren das Wasser "aus der Wand". In den Dörfern wurde bis in das vergangene Jahrhundert hinein das Wasser aus dem eigenen Brunnen geschöpft, oder es lief vom höher gelegenen Brunnen bis in das Erdgeschoss, wo es im Wassertrog gesammelt wurde. In dieser Zeit bauten sich die ersten Hausbesitzer handbetriebene Pumpen ein -anfangs aus Holz, später aus Gusseisen. Doch bei Frostwetter funktionierte außerhalb des Hauses nur noch der Eimer an der Leine. Erst ab den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde es möglich, elektrisch betriebene Pumpen zu nutzen, die das Wasser aus dem Brunnen oder aus dem Wassertrog in das "Haus-Netz" förderten und ggf. auch die Spülkästen füllen konnten.

In den Stadtgebieten ohne Kanalisation wurden einst die Fäkalien in einer zum Haus gehörenden, ummauerten Fäkaliengrube gesammelt und in eine Kläranlage abgefahren. Die Bauern bringen, auch in unserer Gegenwart noch, die Jauche, die aus den Ställen in die Grube fließt, als Naturdünger auf ihre Felder. In periodischen Abständen muss folglich die Grube entleert werden. Die Kleinbauern trugen einst die Jauche mit dem Zuber (ein konischer Holzbottich für ca. fünf Eimer Flüssigkeit), einem an zwei Stangen getragenen Bottich, auch in das Umfeld des Wohnhauses und düngten damit ihre Wiese und den Garten. Durch eine Wasserspülung in der Toilette wäre der Aufwand fürs "Jauchen" beachtlich gestiegen. Das Spülwasser hätte außerdem den "Wert" der Jauche als flüssiges Düngemittel vermindert. Aus diesem Grunde wurde in den Dörfern, bis weit in das vorige Jahrhundert das gesamte Brauchwasser (Waschwasser, Badewasser, Kochwasser) nicht in die Jauchengrube, sondern über einen Abflussgraben in die Bäche und Flüsse geleitet. Erst durch den Bau von Abflussleitungen und Kläranlagen (in der DDR ab 1950/60) konnte auch auf dem Land, die derartige Verschmutzung der Gewässer unterbunden werden.

Das klassische Plumpsklo

Die älteren unter uns kennen es noch: Das Trockenklosett, im Volksmund auch Plumpsklo genannt. Es existiert noch in wenigen Häusern, aber auch in vielen Gartenlauben.
Das Trockenklosett wurde an jener Seite des Hauses eingerichtet, die an der ins Erdreich eingebauten Jauchengrube angrenzte. So konnten die Ausscheidungsprodukte der Hausbewohner von der Toilette durch ein senkrecht verlaufendes Tonrohr geradewegs nach unten in die Grube fallen (also plumpsen). In diese Grube flossen bei den Bauern auch -und vor allem- die flüssigen Ausscheidungsprodukte der Haustiere. Wenn sich die Ställe der Rinder, Pferde und Schweine außerhalb des Wohnhauses befanden, dann wurde auch die Jauchengrube neben das Stallgebäude gebaut. Folglich war auch die Toilette -das örtchen- außerhalb des Wohnhauses untergebracht, das man bei Regen oder Schneetreiben nur unter innerem Zwang aufsuchte.

Für das klassische Plumpsklo reichte eine Grundfläche von einem Quadratmeter. Das dicke Fallrohr wurde so eingebaut, dass es etwa 40cm aus dem Fußboden heraus ragte. Der Zimmermann überbaute das Rohr mit einer zum Sitzen geeigneten hölzernen "Bank", deren Oberseite, mit der öffnung über dem Fallrohr, "Brille" genannt wurde. Zum Verschließen der öffnung diente ein hölzerner Deckel. Wurde dieser massige Deckel am Schluss der Handlung wieder aufgelegt, dann hörte man im Haus einen dumpfen Schlag. Das bedeutete: Es ist wieder "frei". Das Sitzen auf der "Brille" war sehr unbequem und wehe, die Geldbörse rutschte aus der Tasche und fiel nach "unten". Sie war dann auch mit einem Magnet an der Leine nicht mehr zu retten.
Die Trockentoilette mit ihrem direkten Zugang zur Jauchengrube konnte, je nach Entlüftung, einen unangenehmen Geruch im Haus verursachen. Auch wegen der Geruchsbelästigung baute man in den Städten die Trockentoiletten bevorzugt in die Treppenhäuser.

In der zweiten HäIfte des vergangenen Jhd. wurde zunehmend die hölzerne "Brille" durch ein Steingut- oder Porzellanbecken ersetzt. Der Ausgang dieser Becken war durch eine bewegliche Klappe verschlossen. Nach der Benutzung dieses Luxus-Plumps-Klo's musste man mittels Handhebel -ähnlich der Handbremse im Auto- den Beckenausgang kurzzeitig öffnen.

Die Bauern richteten aus praktischen und hygienischen Gründen ihre Toilette bevorzugt im Obergeschoss des Hauses ein. Dafür gibt es eine nur noch wenig bekannte Vorgeschichte:

Ein "wilder" Vorgänger des Plumpsklo

Auf alten Dorfansichten aus dem Erzgebirge (gewiss nicht nur dort) erkennt man an den Bauernhäusern, am Obergeschoss kleine architektonisch anspruchslose "Erker". Diese Anbauten waren die besonderen "Außentoiletten". Die menschlichen Abfallprodukte fielen von dort, im freien Fall, in einen hölzernen Trichter, der auf eine öffnung in der Jauchengrube gebaut war. Das funktionierte aber nur dann, wenn die ausgelotete "Flugbahn" nicht durch zu starken Wind verändert wurde. In der luftigen Höhe war es im Winter gewiss auch sehr kalt. Weil diese Toiletten die Umwelt hygienisch und ästhetisch belasteten, mussten sie Anfang des vergangenen Jahrhunderts abgebaut werden. Das bewusste "örtchen" wurde nach baulichen Veränderungen einen Meter in das Haus hinein verlegt. Ein dickes Rohr sorgte dann innerhalb des Hauses für die "Ableitung" der fallenden Materie.
Ich selbst habe diese "Freiluft-Außentoiletten" praktisch nicht mehr kennen gelernt. Geblieben sind die alten Geschichten über garstige Jungs, die einst von unten, mit der Handdruckspritze, die Hausbewohner terrorisiert haben sollen.

In unserer nahen Vergangenheit haben sich auch auf dem Land die Wasserversorgung und Abwasserbehandlung grundlegend verändert. Wer heute das "WC" benutzt, der denkt kaum noch an seine Vorgeschichte und daran, dass es wertvolles Wasser ist, was aus einer Talsperre kommend, ins Toilettenbecken strömt, und dort als Transport- und Reinigungsmittel dient. Im Siphon des Toilettenbeckens ist das Wasser auch ein Dichtungsmittel, das uns vor dem unangenehmen Geruch aus der Abflussleitung schützt.