Virtuelles Europäisches Kulturzentrum
- Europäische Studie zur Alltagskultur -
Wohnbiographien / Genossenschaftliches Wohnen
Unsere erste Wohnung -Die Studentenwohnung-
Unsere erste Wohnung -Die Studentenwohnung-
Ich war Student in Leipzig und bewohnte ein Zimmer in einer Privatwohnung in Leipzig,
Gohlis-Nord. Wir hatten 1952 geheiratet, 1953 war unsere Tochter geboren und meine
Frau wohnte mit dem Kind bei ihren Eltern in der Lausitz. Meine Versuche, in Leipzig eine
Wohnung zu finden, blieben ohne Erfolg. Meine Wirtin bot mir in dieser Situation ein
zweites Zimmer in ihrer 4-Raum-Wohnung an. Sie selbst war bereits im hohen Alter und
wohnte dort mit ihrer Tochter und ihrem Enkelsohn. Nach den damals geltenden Regeln
hätte nach ihrem Tod die Tochter nicht in dieser großen Wohnung verbleiben können. Ihr
Angebot mit einem zusätzlichen Zimmer war also für sie eine Vorbeugung und für uns
war es ein Glücksfall. So holte ich vom Wohnungsamt die Zuweisung und bald auch meine
Frau, mit Kind, und unseren Anfangsbestand an Möbeln, nach Leipzig.
Für ca. 30 Quatratmeter Wohnraum hatten wir monatlich 25 Mark Miete zu zahlen.
Mein Studentenzimmer wurde die Wohnküche und der zweite angrenzende Raum diente als
gemeinsames Schlafzimmer und -am Tage- als Studierzimmer. Wir besaßen bereits
die Möbel für die Küche und fürs Schlafzimmer und verfolgten in der Zeitung die
Verkaufsangebote an gebrauchten Haushaltgegenständen. So waren wir häufig mit dem
Handwagen in der Stadt unterwegs, um noch Fehlendes heran zu holen. Dazu gehörte auch
ein kleiner Küchenherd. Unsere Einrichtung konnte aber nur in kleinen Schritten
komplettiert werden, denn ich lebte von 180 Mark Stipendium und meine Frau hatte noch
keine Arbeit gefunden. Für unser Kind brauchten wir außerdem eine Unterkunft. Unsere
Anschaffungen finanzierten wir vom Lohn meiner Ferienarbeit. Unsere einzigen
elektrischen Geräte waren ein Bügeleisen und ein kleines Radio. Das Radio war an die
Innentür des Schreibtisches montiert, weil wir die Rundfunkgebühren sparen mußten.
Unsere Wohnung befand sich im 3. Obergeschoß eines älteren Mietshauses. Es gab kein
Bad und die Toilette befand sich außerhalb der Wohnung im Treppenhaus. Das kalte
Wasser zum Kochen und Waschen, auch zum Baden des Kindes, holten wir in der Küche
unserer Hauptmieterin und entsorgten es dort auch eimerweise im Ausguß. Warmes
wasser wurde im Topf auf dem Siedlerherd oder auf dem zweiflammigen Gaskocher
bereitet. Zum Heizen hatten wir Kohleöfen. Die Kohle mußte aus dem Keller über 4
Treppen hochgetragen werden, die Asche und die Abfälle brauchten wir nur über drei
Treppen zu entsorgen. Zum Wäschewaschen stand -nach strengem Plan- im Kellergeschoß
ein Waschhaus (ohne elektrische Beleuchtung) mit Kohlekessel zur Verfügung.
Die allgemein üblichen Waschgeräte waren damals, eine hölzerne Wanne, ein Waschbrett
und die Bürste. Die älteren Mieter besaßen außerdem eine Wringmaschine, das war die
Vorgängerin der Wäscheschleuder. Getrocknet wurde die Wäsche auf der Leine im Hof.
Für den ersten Winter haben wir noch die Kohle mit dem Handwagen heran geholt und in
Säcken in den Keller getragen. Danach bekamen wir von meinem früheren Betrieb, dem
Benzinwerk Böhlen, jährlich kostenfrei 25 Zentner Deputatkohle geliefert. Meine Frau
fand auch eine Arbeit und für unsere Tochter einen Krippenplatz.
Im Jahre 1955 "meldete sich" unser zweites Kind an. In unserer kleinen Wohnung wäre es
sehr eng und für mein Studium fast unerträglich geworden. Doch wir bekamen Hilfe:
Meine Frau gehörte in ihrem Betrieb zu den Kandidaten für eine Neubauwohnung in
Leipzig, Neu-Lindenau.
Anmerkung
Unsere Wohnungszuweisung, die wir vom Wohnungsamt in Leipzig erhielten, nahm auf
folgende Rechtsquellen Bezug:
- Artikel VIII des Wohnungsgesetzes Nr. 18 vom 8.3.1946
- Durchführungsverordnung der Landesregierung Sachsen vom 7.2.1947